Ur-sachen. Ursächliches. Eine Ursache steht immer im Zusammenhang mit einer Wirkung.
A ist die Ursache von B. A bewirkt B.
Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen.
Antoine Saint-Exupéry
Beispiele für Ursachen
Eingängige Beispiele für Ursachen (und deren Wirkung) sind
- ein (Licht-)Schalter
- ein Feuerzeug oder Streichholz (Flamme)
- ein Schluck Wasser (Durstlöschen)
- ekelerregender Geruch oder Gedanke (Übelkeit)
- Schuss eines Fussballspielers (der sich bewegende Ball)
- Atmosphärische Gasentladung (Donner und Blitz)
- Dominoeffekt (Dominos fallen um)
Ursache und Wirkung
Zeit
Unser menschliches Verständnis von Ursache und Wirkung ist sehr einfach. Das hängt mit unserem Zeitverständnis zusammen. Wir kennen nämlich nicht nur die Zeit in einer Dimension. Darüber hinaus nehmen wir sie als ständig zunehmend wahr.
Eine winzige Ausnahme ist das Erlebnis eines Déjà-vu, für das es aber in aller Regel aus menschlicher Sicht logische Erklärungen gibt. Meist zufällig ähnlich auftretende Ereignisse, die uns an die Vergangenheit erinnern.
Für den Mensch lässt sich die Zeit auf einen einfachen Nenner bringen. Ganz so wie die Redensart
Heute ist morgen schon gestern.
Sprichwort
gibt es einen einfachen Zusammenhang zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie folgen aufeinander. Der Mensch bewegt sich von der Gegenwart in die Zukunft und lässt die aktuelle Gegenwart dabei als Vergangenheit hinter sich. Währenddessen nimmt er insbesondere die Gegenwart als Folge der Vergangenheit wahr.
Das Grundprinzip von Ursache und Wirkung
Daraus ergibt sich das Grundprinzip von „Ursache und Wirkung“. Die Wirkung wird assoziiert, in Zusammenhang gesetzt mit einer Ursache. Letztere muss dabei zwangsläufig zeitlich vor der Wirkung stattgefunden haben.
Mehr noch: So ist nämlich das einzig wirklich harte Merkmal, welches die Ursache grundsätzlich von der Wirkung unterscheidet, dass diese zeitlich später stattfindet, dass also aus der Ursache die Wirkung folgt (und nicht etwa umgekehrt, oder dass gar überhaupt kein aufeinanderfolgender Zusammenhang zwischen beiden besteht).
Das wirkt wie eine triviale Einsicht, ist aber dennoch für unser menschliches Denken sehr weitreichend. Auch ist es der menschliche Geist, der Ereignisse zeitlich ordnet und Zusammenhänge zwischen ihnen herstellt.
Zusammenhänge erkennen
Dabei kann es sein, dass schon biologisch oder psychisch/geistig nicht die nötigen Voraussetzungen da sind, einen Zusammenhang zu erkennen. Ein einfaches Beispiel dafür ist ein Blinder, der nicht erkennen kann, dass das Licht angeht, wenn er einen Lichtschalter betätigt.
Es ist sehr kurzsichtig, anzunehmen, dass vermeintlich gesunde Menschen (die sich selbst oft als „normal“ bezeichnen und sehen) umfänglich alle Zusammenhänge, alle Ursachen und Wirkungen erkennen können.
Vielmehr ist es meine Erfahrung, dass Menschen mit einer offenen Einstellung und Haltung, mit der Bereitschaft zu Lernen, aber auch Menschen mit von Natur aus schon hoher Einsehungskraft und Intelligenz, mehr Zusammenhänge erkennen können. Es ist weniger eine Frage des Wissens, sondern der Neugier. Und eine Frage des „für möglich Haltens“. Ist es möglich, dass B die Folge von A ist? Ist damit „nicht A“ die Folge von „nicht B“?
Diese beiden Folgerungen sind nämlich rein logisch äquivalent
„A ⇒ B“ ⇔ „¬B ⇒ ¬A“
und sie sind der Grundstein dafür, Kausalität zu erkennen. Wenn B nicht aufgetreten ist, heißt das dann, dass A auch nicht aufgetreten sein kann?
Logik und Vernunft
Erkenntnis ergibt sich aus persönlicher Erfahrung. So muss der Mensch aber, um neue Erkenntnisse zu machen, bereit für neue Erfahrungen sein. Dabei kann es helfen, für selbstverständlich genommene Zusammenhänge in Frage zu stellen. Jede Folgerung, jedes Ursache-Wirkung-Paar lässt sich durch nur ein Gegenbeispiel widerlegen. Ein Beispiel, das zeigt, dass „nicht B“ gilt, aber dennoch A gilt, zeigt auch sofort, dass B nicht die Folge von A sein kann. Das ist pure Logik. Reine Vernunft.
Der Unterschied von Ursache und Wirkung
Die Zeit. – Alle anderen Merkmale, die sich auch von noch so großen Köpfen finden lassen, sind nicht annähernd so standhaft gegen das Infragestellen einer Folgerung wie der zeitliche Unterschied von Ursache und Wirkung. Denn betrachtet man nur beide Zustände (den ursächlichen und den resultierenden) ohne einen gemeinsamen, dritten Kontext, so bleibt nichts übrig, das eine Unterscheidung in Ursache und Wirkung noch möglich macht. Stattdessen ist es dann völlig willkürlich, was von beiden Ursache und was Wirkung ist.
Dieser dritte Kontext aber, der sich in der Folgerung
„A ⇒ B“
im Folge-Pfeil verbirgt, ist grundsätzlich variabel. Er kann sich unabhängig von A und B ändern. Kann morgen anders sein als gestern. Hier anders sein als dort.
Der „dritte“ Kontext von Ursache und Wirkung
Variiert man diesen dritten Kontext in einem Gedankenspiel, so lösen sich A und B, Ursache und Wirkung, voneinander. Es ergibt sich plötzlich Raum für einen neuen Zusammenhang. So kann nun vielmehr B die Ursache von A sein, oder beide stehen gar nicht mehr im Zusammenhang.
Ein schönes Beispiel dafür ist die (neue) Verknüpfung von Emotionen mit Gegenständen.
Wer nie verschimmeltes Brot (A) gegessen hat, wird bei diesem nicht viel empfinden. A hat z.B. keinen Ekel (B) zu Folge. A und B stehen nicht in Zusammenhang. In der Regel ruft aber ein verdorbener Magen nach dem Genuss von verschimmeltem Brot Ekel hervor. Von nun an ist das verschimmelte Brot A direkte Ursache des Ekels B.
„A ⇒ B“.
Darüber hinaus gibt es viele Beispiele aus der Werbung oder den Medien allgemein, in denen Zusammenhänge völlig neu hergestellt werden, völlig frei, ohne Vernunft. Meist durch die Macht der Bilder. Es reicht, wenn die Wirkung B nur oft genug zeitlich nach der Ursache A dargestellt wird.
Ursachen werden geleugnet oder herbeigedichtet, ohne dass es vernünftige oder wissenschaftliche Belege dafür gäbe.
Entropie
Erst komplexere Systeme mit vielen Teilchen (und somit vielen einzelnen Zuständen), in denen es Sinn macht, von Entropie zu reden, sind wirklich variant gegen Zeitumkehr. Diese Varianz ist aber lediglich ein statistisches Phänomen und folgt trivial aus der Vielzahl (insbesondere aus der den Menschen bislang zugänglichen Vielzahl).
Der Dominoeffekt zeigt die mögliche Varianz gegen Zeitumkehr. Lässt man die kleine Animation rückwärts laufen, erkennt man, wie magisch es wirkt, wenn sich die Dominosteine der Reihe nach aufrichten würden. Es entspricht nicht unserer Realität:
Das wäre der spontane Wechsel von Chaos zur Ordnung. Diesen gibt es so nicht. Sehr wohl aber kann das Leben das Chaos ordnen. So kann schon ein Kind die Dominosteine der Reihe nach wieder aufstellen und die Ordnung damit neu herstellen.
Auch geben statistische Zukunftsvorhersagen keine unmittelbare Auskunft über die zugrunde liegenden Grundprinzipien, sondern zeigen die naive Annahme des Beobachters, der glaubt, dass was schon oft war, für immer so sein würde. Eine einzige Ausnahme jedoch würde ja schon das Gegenteil beweisen.
Wiederholbarkeit und neuer Kontext
Der „schlaue Wissenschaftler“ jedoch hat genau solche Einzigartigkeit durch seine Forderung nach Wiederholbarkeit ausgeschlossen. Und genau hier stößt er unwillkürlich auf seine Grenzen:
Im Kosmos und im Elementaren, wo nichts sich wirklich unverändert wiederholen lässt.
Was bleibt, ist die Beobachtung sehr vieler, sehr ähnlicher Experimente, mit nahezu gleichen Anfangsbedingungen. Sie können den angenommenen Kausalzusammenhang von Ursache und Wirkung belegen. Jedoch nur belegen, nicht beweisen. Die Regel ist, dass es irgendwann ein Experiment gibt, das das bisher gültige Modell durch ein einziges Gegenbeispiel widerlegt. Die Entdeckung der Neutrinomasse vor ca. 20 Jahren (Nobelpreis 2015) ist so ein Beispiel: Das Standardmodell der Teilchenphysik war unvollständig. Sogesehen „falsch“. Die Ausnahme war gefunden. Plötzlich müssen Kausalzusammenhänge neu überdacht werden.
Es ist ein neuer Kontext entstanden. So ein möglicher neuer Kontext jedoch kann auch viele einzigartige Ausnahmen als eine sich wiederholende Regelmäßigkeit erscheinen lassen, und den menschlichen Geist schließlich für einen anderen Umgang mit Zeitumkehr und nebenbei auch für einen neuen Umgang mit der durchdachten Vertauschung von Ursache und Wirkung öffnen.
Fazit zu Ursache und Wirkung
Es scheint vielleicht nach diesen Ausführungen, dass Ursachen und ihre Wirkungen nur lose zusammenhängen.
Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Raum und Zeit sind die Grundfesten menschlichen Denkens. Und so ist auch das Erkennen und das Erlernen von Kausalität Grundgegenstand menschlichen Denkens. Kausalität, faktische Ursachen sind der Anker für die menschliche Vernunft. Der Unterschied zwischen einem Sophismus und einer logischen Folgerung könnte größer nicht sein.
Lieber glaube ich an Wissenschaftler, die sich mal irren, als Irren, die glauben, sie seien Wissenschaftler.
@DaniWeicheL
Wenn nur aufgrund der Tatsache, dass zwei Ereignisse, Vorgänge oder Sachverhalte zeitlich hintereinander stattgefunden haben, ein kausaler Zusammenhang propagiert wird, wird den Schwaflern, wird den Schwurblern Tür und Tor geöffnet.
Da verabschieden sich der Verstand und die menschliche Güte. Stattdessen betreten Chaos und Ochlokratie die Bildfläche vormals geordneter, demokratischer Strukturen. Kausalität muss auf Fakten beruhen und darüber hinaus auf Logik. Für beide gibt es keine alternativen Formen.
Niemand hat das Recht auf eine eigene Realität. Doch genau das ist es, was immer mehr Menschen mittlerweile für sich beanspruchen.
ursprüngliche eigene Blitzgedanken, SH 04.2008
Update SH 10.2015
Update SH 05.2021
Update SH 03.2024
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