Was ist Raum? Was ist Zeit? Warum ist es so schwer, darauf eine Antwort zu finden? Gibt es menschliches Denken ohne einen Begriff von Raum und Zeit?
Die folgenden Überlegungen sind so grundsätzlicher Natur, dass sie für viele Menschen zu abstrakt, ja vielleicht auch abstrus anmuten können. Für Menschen hingegen, die es gewohnt sind, abstrakt zu denken, sind sie vielleicht an mancher Stelle zu trivial. Ich bin dennoch der Auffassung, dass sie das Potential zu Neuem haben bzw. teilweise neu sind. Blitzgedanken zum Raum.
Die dritte Dimension
Hip-Hop Band der 90er
War am Anfang von Allem das Nichts, so wird es durch Entität und Quiddität im gleichen – räumlichen oder zeitlichen – Moment zum Alles.
Zwei
Sobald es genau zwei von Etwas gibt, das Entität und Quiddität aufweist, existieren auch Raum und/oder Zeit. Gemeint ist eine Eigenschaft von Etwas, die sich ändern kann, und damit im einfachsten Fall zwei verschiedene Werte haben kann (z.B. „0“ und „1“). Durch diese beiden Werte wird der jeweilige Zustand der beiden Teile des Etwas bestimmt. Daraufhin entstehen Raum und Zeit:
- Beide Teile dieses Etwas können zur gleichen Zeit sein, aber verschieden in Ihrer Position im Raum. In diesem Fall, gibt es nur temporal ewig-währenden Raum in einer Dimension.
- Sind beide Teile dieses Etwas zu verschiedenen Zeiten an derselben Position im Raum, so gibt es nur Zeit in einem punktförmigen Universum. Die Zeit reicht dabei von vorher bis nachher, oder von Anfang an bis Ende, von Alpha (Α) bis Omega (Ω). Oder auch mathematisch von 0 bis Unendlich (∞).
Eine Raum-Dimension
Die zwei Teile vom hypothetischen Etwas sind mathematisch zwei Punkte in der Raum-Zeit.
Sind im einen Fall beide Punkte am selben Ort, so ist es die Zeit, die an beiden Punkten jeweils anders ist. Man kann es auch als einen Punkt auffassen, der sich ewig zeitlich verändert: die Dimension „Zeit“ von 0 bis Unendlich (∞). Warum die Zeit nur eine Richtung kennt, ist an dieser Stelle noch unklar bzw. unbegründet.
Nimmt man hingegen an, dass beide Punkte an unterschiedlichen Orten zurselben „Zeit“ sind (unveränderlich für den Moment) so ergibt sich eine andere Situation. Indem man dann beide Punkte in Beziehung setzt, entsteht schon die erste Dimension als ein endlicher, skalierbarer Vektor, der beide Punkte verbindet. Der Mensch muss nun zur vollständigen Skalierbarkeit dieses Vektors die Unendlichkeit denken können. Die Endpunkte des Vektors sind dann -∞ und +∞. In seinem Denken schafft er den einfachsten nicht trivialen Raum: einen zeitlich ewig unveränderlichen Raum mit einer Dimension. Aus Symmetriegründen hat dieser einen wohldefinierten Nullpunkt 0.
Spiegelung im Raum
Der nichttriviale eindimensionale Raum kann auch als Objekt gedacht werden, das aus der Spiegelung S eines Strahls vom Nullpunkt 0 bis ∞ entsteht. Kann der Mensch nun außerhalb dieses Raumes mit einer Dimension einen weiteren dritten Punkt denken, der nicht in dieser Dimension liegt, so erschafft er in Gedanken den zwei-dimensionalen Raum.
Am einfachsten gelingt ihm dies, indem er die Spiegelung S als Drehung um 180° (anschauliche Grafik) begreift, und dann diese Drehung auf 90° halbiert, indem er während des Vollzugs der Spiegelung auf halber Strecke zwischen beiden Spiegelpunkten verharrt (Symmetrie-Erkenntnis). Damit gleichbedeutend ist die Erkenntnis der Achse der ursprünglichen Spiegelung. Durch das Denken einer Drehung ∆ mit ∆ = n*90° (n = 0, 1, 2, 3) des einen Punktes um den zweiten Punkt werden zwei diskrete Dimensionen erschlossen.
Weitere Dimensionen
Durch Drehungen zu je zwei unterschiedlichen Raum- oder Zeitpunkten können beliebig viele weitere Dimensionen erschlossen werden, vorausgesetzt es gibt genügend viele unterschiedliche Punkte bzw. Anfangsbedingungen für solche Drehungen. Dabei passiert es, dass das Ergebnis zweier unabhängiger Spiegelungen bzw. 180°-Drehungen genau dasselbe ist, es also zwei in diesem Sinne vergleichbare Drehachsen gibt, wobei aber beide Drehachsen nicht identisch sind. Diese Erkenntnis, nämlich von immer denselben Anfangsbedingungen über immer neue Drehungen zu immer denselben Endbedingungen zu gelangen, führt uns zu mehr- oder genauer zu mehr-als-zwei-dimensionalen Räumen.
3-D Raum
Der drei-dimensionale Raum ist in diesem Sinne ein minimalistischer Raum. Minimalistisch deshalb, weil er der kleinste Raum ist, der entsteht, wenn zwei unterscheidbare Punkte (auch: Zustände) durch mehrere im obigen Sinne vergleichbare Drehungen ineinander übergehen. Diese Drehungen wiederum haben insbesondere einerseits unterschiedliche Achsen, führen aber andererseits immer wieder von dem einen bestimmten Punkt zu genau dem anderen bestimmten Punkt.
Raum in der Mathematik
NB: Allgemein entsteht durch n verschiedene Punkte ein n-1 dimensionaler Raum nur unter der Voraussetzung, dass die entstehenden Basisvektoren des Raumes mathematisch linear unabhängig sind. Die Anzahl linear unabhängiger Basisvektoren ist gerade die Dimension dim R des Raumes R.
Anwendung von „Raum“
Bis hierher waren dies eigene Kommentare von mir von Juni 2008. Ich habe sie im November 2021 geringfügig korrigiert. Inhaltlich ist das meiste geblieben.
Was ich damals nicht erwähnte, ist dass die bis hier getroffenen Überlegungen sehr grundsätzlicher, struktureller Natur sind. Sie beschreiben letztlich die Art, wie ein Mensch seine Umgebung durch Denken erfassen kann. Sie sind damit aber insbesondere nicht beschränkt auf den Raum im Universum im Sinne des dortigen Vakuums, ohne Materie. Auch nicht auf unseren Zeitbegriff.
Vielmehr lassen sie sich anwenden auf jedes „Etwas“, das unterscheidbare Eigenschaften aufweist. Oder eben auf mehrere Dinge, die unterscheidbar sind. Die Begriffe des „Punkts“, der „Dimension“, „Spiegelung“ und „Drehung“ kann man deshalb deutlich allgemeiner auffassen, als man gemeinhin vermuten könnte. Die Mathematik macht zwar klare Definitionen dieser Begriffe, gibt aber keine strikten Vorgaben was die Anwendung angeht. Vielmehr kann man die beschriebene mathematische Struktur in der Realität auf vielfältige Szenarien anwenden.
Allerdings sei abschließend noch darauf hingewiesen, dass solche Anwendungen schnell abstrus anmuten oder zu sehr unorthodoxen Ergebnissen führen können. Dennoch geben sie viel Raum für Neues, insbesondere für neuartiges Denken. Neue Gedanken aber sind immer auch gefährlich.
Fazit
Ich habe bewusst versucht, mich von der formalen, mathematischen Formulierung ein stückweit zu lösen. Wohl wissend, dass die Darstellung der Zusammenhänge dadurch fehleranfälliger wird. Raum und Zeit sind in meinen Augen die Grundgrößen menschlichen Denkens.
Ein punktförmiges Wesen einerseits hätte sie sicherlich nicht. Ein Wesen, das mehr als die eine Zeit- und drei Raum-Dimensionen ausfüllte, andererseits bedürfte hingegen zusätzlicher Denkstrukturen zu den genannten beiden. Interessant finde ich auch über mögliche Denkstrukturen nachzudenken, die andersartige Wesen wie etwa Pflanzen oder ungewöhnliche Tiere haben.
Was unterscheidet deren Strukturen von unserer Raumzeit? Diese Frage stelle ich mir wohlwissend, dass alles und alle im selben Universum verortet sind, wenngleich vielleicht nicht im selben Phasenraum und auch nicht mit dem gleichen Zugang zum selben Teil dieses Universums.
korrigierte Fassung, SH 11.2021
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