Was ist indes der innere Kern? Das Ich? Was ist weiterhin mein „Ich“? Was Deines? Wie definiert sich folglich unser Ich?
Der innere Kern und die Veränderung
You are under no obligation to remain the same person you were a year ago, a month ago, or even a day ago. You are here to create yourself, continuously.
Richard P. Feynman
Sicher, es gibt einerseits einen Teil an einem selbst, der sich dauernd verändert. Oder dies zumindest kann, wenn man es zulässt. Bei manchen Menschen hat man zwar den Eindruck, dass sie stehen bleiben, oder sich zumindest nicht „kreieren“. Das Leben und die mit der Zeit passierende persönliche Geschichte ändern aber einen selbst, aktiv oder passiv. Jeden Menschen also.
Sigmund Freud
Nun ist der Mensch ein komplexes Wesen. Auch wenn es viele Teile am Menschen gibt, die sich regelmäßig, gelegentlich, fortwährend oder wie auch immer verändern: nach meiner Erfahrung mit mir selbst und anderen, denen ich nahe war und bin, teile ich Sigmund Freuds Ansatz eines „Ich“. In Freuds Theorie geht es indes um eine Kombination aus „Ich“ und sogenanntem „Über-Ich“ und „Es“, die bewusst wahrgenommen wird. Entscheidend ist aber dabei, dass es insbesondere eine Art bewusster innerer Kern ist, der einen im Leben begleitet.
Freuds Ansatz war sicher dabei nur ein Anfang und kann aus heutiger Sicht nicht mehr einfach übernommen werden. Aber die Erfahrung eines bleibenden Kerns in einer Person hat, glaube ich, auf die ein oder andere Art jeder.
Die Zentrale: Der innere Kern
Es muss währenddessen rein logisch auch etwas wie einen „Zentralprozessor“ geben, der auf all die Erinnerungen des Lebens, gegenwärtige Wahrnehmungen und Gedanken zugreift. Erinnerungen mit „Tatsachen“, Erlebnissen, Gefühlen, Sinneswahrnehmungen folglich. Ich halte dabei nichts davon, den Mensch oder sonst ein lebendes Wesen mit einer Maschine zu vergleichen. Deshalb wäre das bessere Wort für diesen „Zentralprozessor“, diesen inneren Kern m.E. das „Ich“, das bewusste Ich.
Und was ist also dieses Ich? – Es hat nichts mit den Rollen, Schubladen, Erlebnissen, dem Körper, den anderen oder sonst etwas Äußerem zu tun, obwohl es eng an diese alle und mehr gebunden ist.
Das Ich ist mit Physik nicht erklärbar, aber es ist so fest an den Körper gebunden, dass es scheinbar ohne ihn nicht existieren kann. Letzteres aber ist bei genauem Hinsehen hypothetisch.
Mein eigenes Ich scheint mir darüber hinaus unzerstörbar, in all den Krisen bisher. Es ist zugleich der Teil in meinem Herzen, der hüpft, wenn ich glücklich bin, und der am Boden liegt, wenn ich traurig bin. Und er hat mich in den ganzen Jahren begleitet, lange bevor mein Körper voll funktionsfähig war.
Fazit
Eine genaue Definition dessen, was der innere Kern, was dieses Ich ist, ist mir nicht möglich. Vielleicht ist es also das Unveränderliche an einem Menschen? So etwas wie der bewusste Teil, der mit der Geburt eine Reise durch Raum und Zeit auf dem Planeten Erde begonnen hat. Vielleicht indes Teil einer Gesamtreise?
Es bleibt jedoch weiterhin Spekulation. Glaube. Ich glaube z.B. an die Unsterblichkeit dieses inneren Kerns und nenne ihn in Anspielung an den Begriff aus der Alltagssprache Seele. Die Person, der Mensch, der zu dieser Seele gehört, hat fürderhin einen Charakter, Ziele, Eigenschaften, ein Umfeld, ein Leben. Dieses kann und muss er dabei fortwährend ändern. Denn das heißt Leben.
Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.
Wolf Biermann
SH, 08.06.2021
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