Das Nichts

Das Nichts. Gibt es das überhaupt? Oder gab es das irgendwann? Wenn ja, wie konnte aus diesem Nichts etwas entstehen? Ist das überhaupt möglich?

Der neugierige Mensch

Wir nehmen unsere Welt wahr als eine Umgebung, in der wir wirken können. Der Mensch ist ein handelndes Wesen. (Vielleicht ist darüber hinaus jedes lebende Wesen handelnd.) Handeln muss nicht auf die haptische Welt bezogen sein, kann es aber. Entscheidend ist, dass jeder Mensch feststellt, dass sein Handeln Ursache für eine Wirkung ist. Er tut etwas. Etwas passiert daraufhin. Das ist das Kausalitätsprinzip, das Prinzip von Ursache und Wirkung.

Ein Mensch, der nicht ist? Nichts?
Geist

Wenn aber die meisten Dinge eine Ursache haben, dann liegt es nahe, dass alle Dinge eine Ursache haben. Dieser Gedanke ist Motor für unsere Neugier. Die Suche nach den Ursachen. Dem Dahinter.

„Alle Dinge haben eine Ursache.“

Wenn man nun gedanklich daraus experimentiert, und von jeder gefundenen Ursache wieder die Ursache sucht, kommt man zu einer logischen Kausalkette:

„A ⇒ B ⇒ C ⇒ D ⇒ …“

Der Anfang

Was ist „A“?

Es ist über das bisher Gesagte hinaus unsere Erfahrung, dass aus etwas sehr Kleinem etwas sehr Großes werden kann. Etwa aus einem Samenkorn ein großer Baum. Jedoch kann man nicht etwas Großes sehr stark verkleinern. Stattdessen ist natürlich Zerstörung möglich. Zerlegung. Entropie.

Aber auf eine globale, auf das Universum bezogene Kausalkette hieße das, dass das ursprüngliche „A“, der Anfang, sehr „klein“ war im Vergleich zu seinen Folgen. Doch dieses „A“, dieser kleine Anfang, woher kam der? War er immer da? Und warum hat er sich dann verändert? Warum entstand aus „A“ ein „B“?

Eine Kerze bringt Licht ins Dunkel, ins Nichts.
Eine Kerze

Wann war der Anfang?

Ich habe an anderer Stelle schon ausgeführt, dass es ohne ein Etwas auch keine Zeit geben kann. Mehr noch. Für Zeit braucht man zwei Entitäten.

Unser „A“ aus dem Gedankenexperiment aber ist nur eine. Diese Entität kann also nur „immer“ oder „nie“ gewesen sein vor dem Zeitpunkt, als aus „A“ „B“ folgte. Dass „A“ nie gewesen sei, führt sogleich zum logischen Widerspruch – jedenfalls unter den bisherigen Annahmen und mit der Feststellung, dass aktuell etwas existiert. Folglich muss „A“ immer vor „B“ gewesen sein.

Dinge ohne Ursache

Natürlich muss man meinen Annahmen in diesem logischen Gedankengang nicht folgen, aber dann muss man akzeptieren, dass es (materielle) Dinge gibt, die keine Ursache haben. Solche Dinge entziehen sich meiner menschlichen Vorstellungskraft.

Selbst meine phantasievollsten Träume handeln. Handeln von etwas. Etwas passiert und wirkt weiter. Sehr wohl aber könnte etwas ohne Ursache passieren. Sich spontan ereignen. Ohne Ursache wäre es etwas Unvorhergesehenes, etwas das nicht passieren darf. Ein fehlerhaftes Ereignis. Ein Fehler. Und zugleich etwas Neues.

Identifikation (Fehler)
„Falsch“

Was ist „der Anfang“?

Was ist dieses „A“, das immer vorher (vor „B“) existierte und das sich spontan veränderte und „B“ folgen ließ? Und kann es dieses „A“ mehrfach geben? Wenn es „A“ mehrfach gibt, können dann diese mehreren Kausalketten aus den verschiedenen „A“ miteinander wechselwirken?

Für das Folgende nehme ich der Einfachheit halber an, dass aus der Kausalkette eines solchen „A“ unser ganzes Universum stammt. Mit allem darin, und mit allem was jemals war und jemals sein wird. Denn dann führt die Annahme einer möglichen Existenz eines zweiten „A“ unweigerlich zum Widerspruch, sofern dessen Kausalkette mit der in unserem Universum wechselwirken könnte.

Alles

Das Universum in diesem Sinne ist das „Alles“, das Allumfassende. Wenn es aber ein Alles gibt, dann kann man in einem Gedankenexperiment sich alles “weg” denken. Was ist dann noch übrig? – Das was dann noch bleibt, ist “nichts”. Null ohne etwas. Nichts.

Wenn es „Nichts“ gibt, gedanklich, dann ist es sehr naheliegend, Nichts und unser „A“ von eben zu verbinden.

„A“ ist „Etwas“. Sogar das allererste Etwas überhaupt.

Doch wie kann etwas aus nichts entstehen? Also wie kann etwas zeitlich auf nichts folgen?

Pilze

Das kann rein logisch nicht aufgrund des Kausalitätsprinzips passieren. Stattdessen passiert es durch einen Fehler. Ein Fehler ist hier etwas, dass nach Gesetzen oder Logik nicht sein darf, aber dennoch passiert. Also nicht ein Fehler in dem Sinne, dass eine fehlerhafte Handlung eine ungewünschte Wirkung hat. Vielmehr ein Fehler, der Naturgesetze und Logik übergeht. Der passiert und ist, ohne begründet oder wiederholbar sein zu müssen.

Ein Ereignis ohne Grund. In diesem Sinne gilt: „Ein Fehler ist ein Ereignis ohne Ursache.“ Die Ausgangsannahme, dass alle Dinge eine Ursache haben, kann also nur für bestimmte Dinge richtig sein. Der Fehler gehört nicht dazu. Dennoch hat sicherlich sehr vieles eine Ursache. Insbesonderre in der vom Menschen erfahrbaren Welt.

Fazit

Das Nichts und der Fehler. Ursprung von allem.

Das Nichts ist nach dem ersten Etwas, nach dessen Entstehung nicht mehr weiter existent. Rückt sogleich in die unwiederbringliche Vergangenheit. Doch der Fehler hat gezeigt, dass er passieren kann. Ist damit Teil unseres Universums. Immer und überall können Fehler passieren. „Falsche“ Ereignisse. Ereignisse, die unlogisch oder nicht erwartbar sind. Wir tun gut daran, dem Fehler seinen gebührenden Stellenwert in dieser Welt einzuräumen.

Ostsee
Brandung II

Nichts bleibt wie es ist. Deshalb muss die Frage erlaubt sein, was am Anfang war. Und auch die Frage was vor dem Anfang war. Für mich war vor dem Anfang das Nichts. Aus dem Nichts ist etwas entstanden. Letzteres ist durch einen kleinen Fehler passiert.

Fehler sind möglich. Was ist, ist. Man kann Fehler nicht ausschließen. Ganz grundsätzlich geht das nicht, weil ihr Wesen das Mögliche ist. Was nicht ist, ist möglich. Wenn aber Fehler immer passieren können, wie kann man zu einem umfassenden Weltbild kommen? Wie zu einer TOE, Theory of everything? – Meine Antwort: Gar nicht. Es sei denn, man macht den Fehler zum Teil der Theorie, zum Teil des Bildes. Jedoch wird dann das Bild zum Entwurf.

„Was tun Sie“, wurde Herr K. gefragt, „wenn Sie einen Menschen lieben?“

„Ich mache einen Entwurf von ihm“, sagte Herr K., „und sorge, daß er ihm ähnlich wird.“

„Wer? Der Entwurf?“

„Nein“, sagte Herr K., „Der Mensch.“

Bertolt Brecht

Es macht keinen Sinn, nach einem fertigen, allumfassenden Weltbild zu suchen. Es existiert nicht und wird es auch nie. Der „Fehler“ passiert und lässt Neues entstehen. Neue Eigenschaften. Neues Sein. Neue Existenz. Veränderung ist das Einzige, was in der Welt bleibt. Und das subjektive Ich. Doch das ist ein anderes Thema.

SH, 31.05.2021


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Schlagwörter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Dir gefällt Blitzgedanken.de und du möchtest mich dabei unterstützen? Dann freue ich mich über eine Spende von dir!