Was zeichnet Denken aus?
Intelligenz lässt sich nicht am Weg, sondern nur am Ergebnis feststellen.
Garri Kimowitsch Kasparow
.:.
Was ist Denken?
Bewusstsein
Das Wort „Bewusstsein“ ist abgeleitet von dem mittelhochdeutschen Wort bewissen im Sinne von „Wissen über etwas habend“. Bewusstsein heißt also etwas wie, Wissen über das Sein habend. Genauer: über das eigene Sein. Allgemeiner vielleicht über allgemein seiende Dinge. Die Existenz im Allgemeinen.
Die eigene Existenz als Mensch wird bestimmt vom gedanklichen Erleben. Der Körper als Gesamtheit erlaubt dem Menschen Rückschlüsse auf seine Existenz. Der eigene Körper versorgt ihn mit Wahrnehmungen und Gefühlen, mit Trieben und Bedürfnissen. Der Geist des Menschen aber ist das im Menschen, was denkt, was Bewusstsein schafft.
Achtsamkeit
Wer jemals achtsam mit seinem Körper war, weiß, dass der Geist, das Denken, nicht nur im Kopf, sondern auch im Körper grundsätzlich ruhen kann. Indem ich meine Wahrnehmung ganz auf einen Körperbereich konzentriere, ist mein Geist, mein Denken, an dieser Stelle des Körpers. Auch empfindet man schnell, dass der Körper nicht exakt mit den Hautzellen oder deren Molekülen endet. In der östlichen Philosophie spricht man von Aura.
Das alles sind nur Beschreibungen. Weder axiomatisch hergeleitet, noch logisch auseinander gefolgert oder auf experimentellen Befunden basierend.
Doch was ist das Wesen des Denkens?
Es ist der Gedanke. Und was ist das? Was ist ein Gedanke?
Was sind Gedanken?
Man muss unterscheiden. Einerseits zwischen dem Gedanken im subjektiven Sinn, als einer mentalen Handlung wie in der Psycholgie. Andererseits gibt es den Gedanken im objektiven Sinn im Sinne der Logik. Der objektive Gedanke wird an den Tatsachen geprüft. Etwa in der Mathematik an den für wahr genommenen Axiomen.
Der subjektive Gedanke ist in erster Linie eine Denkoperationen, also eine bewusste psychische Handlung. Solche Gedanken sind Gegenstand der kognitiven Psychologie. Hier kommt für mich aber ein neuartiger Aspekt hinzu. Was heißt Handlung genauer?
Handlung durch Bewegung
Der Mensch – wie Tiere im Übrigen auch – ist ein handelndes Wesen. Wie kann der Mensch handeln? Er kann dies durch Bewegung (Taten, Sprechen, Artikulieren, …) oder durch Bildung von Gedankenketten (mental). Er tut dies insbesondere nicht durch Wachsen. Der Mensch wächst nur unbewusst. Das Wachsen passiert beim Menschen einfach.
Aber heißt das, dass Wachsen keine Handlung sein kann? Das Eigentümliche einer Handlung ist, dass sie bewusst gesteuert passiert. Denn unbewusst gesteuert oder von außen gesteuert sind auch Dinge wie Trieb, Schwitzen, Verdauen, … Doch warum sollten bei einem völlig menschenfremden Wesen, etwa einer Pflanze, die gleichen Dinge in den Bereich der Handlung fallen?
Es gibt dafür keinen logischen Grund.
Handlung durch Wachsen?
Wesentlich für eine Pflanze ist gerade, dass sie sich nicht bewegt. Dass sie ihren Ort nicht verlässt, an dem sie angewachsen ist, und dass sie dort weiter wächst. Die Pflanze vermehrt sich ggf. durch Weiterwachsen (vgl. Baumklonkolonie) oder Fortpflanzung (Samen).
Nun, ich bin kein Biologe sondern am meisten Physiker. Aber, dass das Wesen der Pflanzen im Vergleich zu Tieren und Menschen das Wachsen ist, ist sehr elementar, offensichtlich. Sie bewegen sich nicht aktiv von A nach B wie wir. Warum soll nicht für eine Pflanze das bewusste Wachsen eine Handlung sein, so wir für uns Menschen die bewusste Bewegung?
[ngg src=“galleries“ ids=“25″ display=“pro_mosaic“]Warum sollte eine Pflanze nicht geistig handeln können? Weil sie kein Gehirn hat? Ist das Gehirn notwendige Bedingung für eine geistige Handlung, für einen subjektiven Gedanken?
Ursprung des Denkens
Woher kommt etwa ein Gedanke? Mancher mag sagen: aus der Materie. Doch auch diese Antwort auf den Ursprung eines Gedankens ist reine Spekulation. Experimentell ist das nicht zugänglich. Schließlich sind es immer nur einzelne Subjekte, die Zugriff auf ihre Gedanken haben. Somit entzieht sich der Gedanke der experimentellen Überprüfung. Und ich denke, das ist auch sehr gut so!
Viele knüpfen den Denk-Begriff, den Gedanken, an Materie und sehen es als zwingend, dass aus Gedanken Handlungen folgen müssen. Ich finde das hingegen alles andere als klar.
Subjektive Gedanken entziehen sich ja dem Experiment. Denn jeder hat nur Zugriff auf seine eigenen subjektiven Gedanken. Es bleibt also nur die Beobachtung an sich selbst. Dabei mache ich bei mir u.a. folgende Beobachtungen:
- Ein Gedanke muss keine Handlung zur Folge haben.
- Ein Gedanke kann als eigene Entität in mir existieren.
- Gedanken können wirken und so geistige und/oder materielle Handlungen hervorrufen.
- Gedanken können wirkungslos vergehen.
Wir wissen nicht, ob man für Gedanken ein Gehirn braucht. Diese Behauptung ist sehr vermessen und insbesondere logisch nicht zwingend. Gut möglich, dass jedes lebende Wesen denkt. Aus Respekt vor dem Leben sollte man dies m.E. sogar als gegeben akzeptieren.
Aus der Feststellung
„Es gibt Gedanken, die im Zusammenhang mit Hirnverarbeitung entstehen.“
folgt noch lange nicht
„Für Gedanken braucht ein Wesen zwangsweise ein Gehirn.“
Wir können z.B. nicht wissen, ob Pflanzen oder andere Lebewesen ohne Gehirn nicht auch denken. So wird z.B. der Begriff der Pflanzenintelligenz kontrovers diskutiert.
Das Wesen des Gedankens
Woraus besteht ein Gedanke? Ein Gedanke kann sich nicht aus Materie (als Stoff des Gedankens) im Gehirn bilden. Der logische Grund dafür lässt sich gut am Beispiel des Schachspiels mit seinen Regeln festmachen:
Es gibt beim Schach nur 32 Figuren und 64 Felder, aber nach den Regeln ca. 10120 verschiedene mögliche Schachpartien – mehr als Atome im Universum. Nicht die Figuren oder das Feld (die Materie) sind entscheidend, sondern was man damit machen kann.
Denken passiert aber sehr wohl in Wechselwirkung mit Materie oder beeinflusst durch materielle Vorgänge oder als Folge bestimmter Eigenschaften oder Zustände von Materie. Nur – und das ist mir sehr wichtig – ist diese Abhängigkeit von Materie nicht notwendig. Notwendig dafür, Denken zu können ist das „Ich“, das Bewusstsein. Quasi per Definition. Denn das Bewusstsein ist die Fähigkeit, über die eigene Existenz, das eigene Leben, nachdenken zu können.
Denken als Prozess
Hinreichend, Denken zu können, ist die Kombination aus Ich und Körper, letzterer beim Menschen mit Schwerpunkt auf dem Gehirn. Aber ich denke z.B. auch, dass ein Gedanke sich kaum von Gefühlen loslösen lässt. Gedanken haben sehr viel mit Kommunikation zu tun. Ich schätze Schulz von Thuns Modell mit dem Kommunikationsquadrat und die Arbeiten von Paul Watzlawick.
Man kann die Frage nach der Realität nicht von der Frage nach dem Bewusstsein trennen. Ein wesentlicher Teil von Gedanken und Gefühlen sind Prozesse. Ja, es werden zwar Informationen aus der Materie abgeleitet. Aber reicht das zur Erklärung? Was löst den jeweiligen Prozess aus? Was alles beeinflusst ihn? Was bestimmt sein Ende und sein Ergebnis?
Denken und Materie
Ist Denken mit Materie vollständig erklärbar? Was ist Materie?
Beim Materiebegriff gibt es unterschiedliche Ansätze, aber selbst wenn man erstmal vom chemischen Periodensystem ausgeht, kommt man schnell darauf, dass dies nur die halbe Wahrheit ist.
Durch intensive physikalische Forschung nach den Elementarbausteinen (Stand heute) kommt man auf 17 Elementarteilchen, die die Physik in unserem Universum bestimmen. Aus nur 4 von ihnen (up und down Quark, Gluon, Elektron) sind die Elemente des Periodensystems aufgebaut. Jedoch sind diese Elemente, diese Atome (auch als Teil von Molekülen), sehr dynamisch. In der Atomhülle etwa sind auch Photonen von großer Bedeutung etc. Was Materie ist, ist eine komplexe Frage. Ob Denken allein damit erklärt werden kann, vermutlich ähnlich komplex.
Lebendige Materie wiederum ist besonders komplex. Aber allein durch Komplexität erschafft man, erreicht man kein Leben. Der Schlüssel zum Leben sind wieder Prozesse und genetische Informationen (ebenfalls sehr komplex). Hinzu kommen aber Einfluss der Umgebung u.ä. Ob es eine Instanz wie eine Seele gibt, bleibt eher Glaube oder Religion.
Kann man allein durch Komplexität Denken erreichen oder Gedanken schaffen? Nein:
- Ein totes Gehirn ist genau so komplex wie ein lebendes (von der Dynamik abgesehen).
- 2 Menschen sind zusammen komplexer als jeder einzelne von ihnen. Sie können aber nicht gemeinsam denken.
Es braucht Dynamik.
Fazit
Es braucht genauer Dynamik in Form von Leben zum Denken. Ein Computer verarbeitet Informationen, aber er denkt nicht. Er kann Operationen auf Befehl ausführen, logische Handlungen. Aber er kann diese Prozesse, diese Handlungen nicht selbst initiieren. Die Maschine hat kein „Ich“, kein Bewusstsein. Keine Instanz, die über sich selbst reflektieren kann. Ohne Einwirkung von außen tut sie nichts. Sie handelt nicht eigenständig, weder durch Wachstum noch durch Bewegung.
Die Pflanze aber tut es. Der Mensch selbstredend auch.
Warum fällt es so vielen Menschen leichter anzunehmen, ein Computer könne denken, als eine Pflanze? Vielleicht hat dieser Beitrag etwas zum Nachdenken angeregt …
Leben ist bunt.
eigene Gedanken, SH 18.6.2021
Schreibe einen Kommentar